Vor uns die Nacht by Belitz Bettina

Vor uns die Nacht by Belitz Bettina

Autor:Belitz, Bettina [Belitz, Bettina]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Paranormal
ISBN: 9783732001446
Barnesnoble:
Goodreads: 19463301
Herausgeber: Script5
veröffentlicht: 2014-03-09T23:00:00+00:00


Kristalle aus Eis

Heute ist aber nicht Karfreitag, oder?«, versuche ich die angespannte Stille mit einem Witz zu durchbrechen, der so ungeschickt wie taktlos ist. Die Atmosphäre ist weitaus drückender als an Karfreitag. Denn das Schweigen betrifft mich und nicht Jesus’ Tod am Kreuz, ich spüre es genau und ich weiß nicht, warum ich dermaßen abgestraft werde.

Ja, in den vergangenen Wochen habe ich meine Samstags- und Sonntagsbesuche im Pfarrhaus nur noch sporadisch und dann gar nicht mehr absolviert, aber es steht nirgendwo geschrieben, dass ich am Wochenende dort erscheinen muss. Das hatte sich nach meinem Semi-Einzug in Jonas’ Wohnung einfach so eingependelt; unter der Woche Studium, am Wochenende Familie, Hilfsdienste in der Kirchengemeinde und Freunde. Aber wir hatten das nie fest ausgemacht, zu keinem Zeitpunkt habe ich mich dazu verpflichtet. Heute fielen meine SMS und Mamas Anruf samt Einladung fast zeitgleich zusammen. Wobei ich die SMS zugegebenermaßen aus egoistischen Gründen abgesendet hatte, weil ich immer noch nicht die Sache mit dem Auslandsaufenthalt geklärt habe und mich dringend ablenken muss, um nicht an meinen Zweifeln und Sehnsüchten rund um Jan kaputtzugehen. Aber ich bin hier. Das ist es doch, was zählt, oder?

Eigentlich hätte auch Jonas hier sein müssen. Heute Morgen noch habe ich ihn gebeten, ebenfalls zu kommen, und er gab seine Zustimmung, bevor er nach einem seiner immer häufiger werdenden besorgten Blicke in die Muckibude verschwunden war. Doch er ist nicht gekommen und meine Eltern haben ihn mit keiner Silbe erwähnt.

Oder hat Jonas nach dem Vorfall heute Nacht die Schnauze voll von mir? Ich hatte wieder einen Albtraum – in seiner Intensität ähnlich aufrüttelnd wie der letzte, doch er kam mir nicht vor wie eine Heimsuchung, sondern wie eine Botschaft. Als ich daran denke, kann ich kaum mehr schlucken, obwohl das Hähnchen, das Mama gebraten hat, köstlich schmeckt; eine willkommene Abwechslung zu dem Trashfood, das ich mir in letzter Zeit lustlos einverleibe. Ich benötige drei Versuche und einen Schluck Wasser, bis sich der zerkaute Fleischballen endlich meine Kehle hinunterarbeitet. Heute Nacht, kurz nach dem Aufwachen, konnte ich gar nicht mehr schlucken. Mein Mund war staubtrocken gewesen und meine Füße zuckten, als bekäme ich eine Elektroschocktherapie verabreicht.

Aber viel unheimlicher war gewesen, was ich zu Jonas gesagt habe, nachdem ich endlich zu schreien aufgehört hatte. »Der Tod stand neben meinem Bett.« Ein Satz aus einem Horrorthriller. Doch so war es gewesen. Was genau ich geträumt habe – daran kann ich mich nicht mehr erinnern, nur daran, was ich sah, als ich endlich ins Erwachen überdriftete: eine hoch aufragende Gestalt, die am Fußende meines Bettes stand und auf mich hinabstarrte, mit dunkler Kapuze und einer Sense in der dürren Hand, eine Vision, die direkt aus einem Hieronymus-Bosch-Gemälde hätte entronnen sein können. »Der Tod stand neben meinem Bett.« Selbst Jonas erschrak angesichts dieser Aussage. Es hatte mehrere gepresste Atemzüge gedauert, bis die Gestalt verblasste und ich wieder in der Wirklichkeit angelangt war.

Für einen Moment der Erleichterung, immer noch im Nachhall all des Schreckens, hielt Jonas mich in seinem Arm, doch dann stieß er mich unvermittelt aufs Bett und begann zu schimpfen wie ein Rohrspatz.



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